Francesco Bearzatti Tinissima 4et
MONK N' ROLL
CamJazz CD
(
65
’)
Thelonious Monk war früh durch
sein genial unorthodoxes Klavier-
spiel und seine daraus erwach-
senden, manchmal schroff wirken-
den Kompositionen bekannt ge-
worden. Der Saxofonist Frances-
co Bearzatti meint ihn durch al-
lerlei Popzusätze anreichern zu
müssen. Das klingt manchmal lus-
tig, meistens aber platt und ein-
dimensional albern, obwohl Gio-
vanni Falzone (Trompete), Dani-
lo Gallo (Bass) und Zeno De Ros-
si am Schlagzeug veritable Musik
abliefern. Wenn Michael Jacksons
„Billie Jean“ in Monks „In Walked
Bud“ mündet, kommt man über
ein müdes Schmunzeln nicht hin-
aus. Leider!
T.U.
MUSIK ★
_£★ ★
______________
KLANG ★
______________
Dhafer Youssef
BIRDS REQUIEM
Okeh/Sony CD (auch als LP erhältlich)
(
64
')
„Electric Sufi“ hieß ein früheres Al-
bum des tunesischen Oudspielers/
Sängers Dhafer Youssef, und der
Titel bringt nach wie vor treffend
die unverwechselbare Melange aus
orientalischer Sufi-Tradition und
elektronischem Ambient auf den
Punkt, wozu sich noch Jazz- und
Rockelemente gesellen. Youssefs
Kontakt zur norwegischen Nu-Jazz-
Szene ist immer enger geworden
und führt zu faszinierenden Resul-
taten. Verblüffend, wie organisch
der Oud oder eine orientalische
Zither (Kanun) sich mit Nils-Pet-
ter M olvsrs ätherischer Trompe-
te ergänzen. Und Dhafers Gesang
scheint ohnehin nicht von dieser
Welt zu sein.
klm
MUSIK ★
KLANG ★
Ari d Andersen Trio
MIRA
ECM/Universal CD (V.Ö.:
17
.
1
.)
Es ist diese weiche, elektronisch er-
zeugte und doch ganz organisch wir-
kende Klangfläche, die den Raum
nach hinten öffnet. Dazu erste Piz-
zicati des Tieftöners. Wenig später
setzt Tommy Smith’ Saxofon ein. Na-
türlich kommt Bassist Arild Andersen
von der Jan Garbarek Group, dieser
Keimzelle des skandinavischen Jazz,
und man hört es bis heute.
Andersens neue Trioeinspielung
mit Paolo Vinaccia an den Drums
kommt vollmundig daher und bleibt
doch leichtfüßig, tänzerisch. Manch-
mal wirken die Stücke wie Folklore-
lieder ohne Worte. Andersens war-
mer, fast wohliger Klang auf dem
Standbass schmiegt sich stets an die
Melodien, die oft aus seiner eigenen
Feder stammen, umspielen sie, wir-
ken wie ein Ornament. Immer wie-
der rückt er mit stupender Musika-
Miles Davis
THE ORIGINAL MONO RECORDINGS
Columbia Legacy/Sony
9
CDs (Preis: zirka
45
Euro)
(4051
____________________________
In Miles Davis’ unvergleichlicher
Karriere, die den Trompeter vom
Bebop über Cool, Hard Bop, von mo-
dalem Jazz bis hin zu vielschichti-
gen Fusion-Abenteuern führte, zäh-
len seine für Columbia eingespiel-
ten Platten zu den Meisterwerken.
Vor einiger Zeit veröffentlichte
Sony Music von Miles Davis „The
Complete Columbia Album Collec-
tion“ - die bereits vergriffen ist -
und in abgespeckter Form die bis-
lang noch erhältliche „The Perfect
Miles Davis Collection“. Damit aber
nicht genug: Zu diesen Veröffent-
lichungen stoßen jetzt noch „The
Original Mono Recordings“, die
mit der Mastering-Maxime bewor-
ben werden, den ursprünglichen
Mono-Sound
aufleben
zu
las-
sen. Die mit neun CDs bestückte
Box enthält „Round About Mid-
night“, die drei Alben mit Gil Evans
„Miles
Ahead“,
„Porgy
And
Bess“ und „Sketches Of Spain“,
„Someday My Prince Will Come“,
„M ilestones“, „Kind
Of Blue“,
„Miles & Monk At Newport“ und
„Jazz Track“. Bei dem zuletzt ge-
nannten Album handelt es sich
um den für den amerikanischen
Markt
übernommenen
Sound-
track
des
Louis-M alle-K ult-
films aus dem Jahr 1957 „Ascen-
seur pour l’ échafaud“ und drei
ein Jahr später entstandene Auf-
nahmen mit dem neu formierten
Miles Davis Sextet.
Offenbar hielten es die Verant-
wortlichen von Columbia damals
für technischen Fortschritt, als sie
die zunächst in Mono aufgenom-
menen Vinylplatten nachträglich
einer „Electronical Re-Channeled
For Stereo“-Prozedur unterzogen.
Dass dabei die im Aufnahmestudio
erzielte Soundkonstellation auf der
Strecke blieb, beklagte im Nachhi-
nein selbst der für einige Sessions
verantwortliche Produzent George
Avakian. Er hielt den Mono-Sound
für klangtreuer. Glücklicherweise
lassen sich manche Kardinalfehler
rückgängig machen, wenn einem
die Originalbänder und Platten zur
Verfügung stehen und wenn man -
wie der für das Mastering verant-
wortliche Toningenieur Mark Wil-
der - ein Einfühlungsvermögen für
diese spezielle Aufgabe hat.
Im Booklet erklärt Wilder bei
jeder Aufnahme, wie er das sen-
sible Mastering vollzog. Stellver-
tretend dafür einige Beispiele:
Miles Davis’ „Kind Of Blue“-Ses-
sion zählt sicher zu den erfolg-
reichsten Einspielungen des Trom-
peters. Vergleicht man daraus die
Themen „Flamenco Sketches“ so-
wie „All Blues“ der Stereo- mit der
Mono-Version, braucht man keine
Fledermausohren, um den Unter-
schied zu hören. Die tonalen Abstu-
fungen in Davis’ Trompeten-Chorus-
sen sind hier deutlicher vernehm-
bar. Auch die Klangfarben der
Saxofonisten - John Coltranes ex-
pressive Tenorsax-Diskurse und
Julian Cannonball Adderleys rau-
er Sound - wirken abgerundeter.
Die Soli des Pianisten Bill Evans
klingen wesentlich transparenter,
was auch auf den ansprechenden
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
-------------JAZZ
lität seinen Bass ins Rampenlicht.
In Vinaccia findet Andersen seinen
idealen Widerpart, weil der Stil des
Italieners rau ist, Vinaccia perkussiv
arbeitet, über Felle und Becken sei-
nes Instrumentes hinaus denkt und
den Rhythmus oft eher an den Rän-
dern punktiert als straight durch-
spielt. Und wenn Smith die Shakuh-
achi an die Lippen setzt (eine japani-
sche Bambusflöte, die vornehmlich
in der östlichen klassischen Musik
zum Einsatz kommt), kann man sich
an die Weltmusik erinnert fühlen,
die den Jazz in den 1970er Jahren mit
neuen, frischen Strömungen durch-
setzte. All das ist lange her. Hier
kommt es einem ganz unverbraucht
noch einmal in den Sinn. Tatsächlich
traut sich Tommy Smith manchmal
nahe an Garbarek heran, wenn die
Stil- und Stoßrichtung im klagenden
Impetus der Musik des Norwegers
ähnelt. Aber Smith findet gerade im
unteren und mittleren Bereich seines
Tenorsaxofons eigene Stimmführun-
gen. Dann kann die Band auch zulan-
gen, Smith findet im Überblasen sein
Glück und erreicht große Intensität.
filman Urbach
MUSIK ★
KLANG
Groove von Paul Chambers Bass
und Jimmy Cobbs subtiles Schlag-
zeugspiel zurückzuführen ist, die
das faszinierende musikalische Ge-
schehen vervollständigen.
M iles
D avis’
Zusam m enar-
beit mit dem Arrangeur Gil Evans
und dessen Orchester verdanken
wir einige der ausdrucksstärks-
ten Einspielungen des großor-
chestralen Jazz. Auch hier schlägt
der Mono- Sound die Stereo-Va-
riante um Längen. Die Optimie-
rung von Stücken aus „Sketches
Of Spain“, zum Beispiel Joaquin
Rodrigos berühmtes „Concierto
de Aranjuez“, betrifft dabei nicht
so stark den im Fokus stehenden
Trompeter, sondern den in der Ste-
reo-Variante dagegen eher blasser
wirkenden Big-Band-Sound. Gene-
rell lässt sich diese Einschätzung
auf sämtliche in der Box vorhande-
nen CDs übertragen, die aus Grün-
den der Authentizität auf vorhande-
ne „alternate takes“ verzichten. Da-
mit geht die Einladung einher, die
reine Substanz einzelner Sessions
aus Miles Davis’ kreativem Nach-
lass zu genießen.
Gerd Filtgen
MUSIK ★
KLANG ★
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STEREO 2/2014 131
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